Die Causa Gustav
Autor|in: Der Vorstand
Veröffentlichung: 14. Februar 2023

DIE CAUSA GUSTAV

Der Anlass: Zur Ballettpremiere an der Staatsoper Hannover am 11. Februar 2023 griff der inzwischen suspendierte Ballettchef Marco Goecke im Pausenfoyer zu den in Papier verwahrten Exkrementen seines ihn begleitenden Dackels Gustav und verabreichte sie der Tanzkritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Wiebke Hüster.

Die Folge: Die Medien kritisieren sein Verhalten als tätlichen Angriff von wahrscheinlich sogar strafrechtlicher Relevanz. Die Kritik steht der Kollegin zur Seite und erinnert sich an die vielen körperlichen oder verbalen Attacken bei der Berufsausübung, die schon seit Jahren geschehen. Verunsichert fragt man nach Motiven und dem Gesundheitszustand des 50-jährigen Künstlers, der vorerst nichts bedauert, nur feststellt, das seine Tat „bestimmt nicht anerkannt oder respektiert“ sei.

Der buchstäbliche Shitstorm: bleibt jedoch aus. Denn Kritik ist die Zielscheibe der Kunst. Kritik sei niemals unparteiisch, heißt es schon bei Charles Baudelaire. Oscar Wilde fügte hinzu: „Die erste Voraussetzung für Kritik ist: Temperament“. Aber es war nur Goeckes Temperament, das vor Wut schäumte. Die Kritik ist es nur noch selten, denn sie soll – bei namentlicher Kennzeichnung ihrer Meinung – ihren Ethos mit dem Kulturjournalismus teilen.

Kriterien des kulturellen Qualitätsjournalismus sind: Wahrhaftigkeit, Sorgfalt bei Recherche und Dokumentation, Sachlichkeit bei der Berichterstattung, Unparteilichkeit im Konfliktfall, Argumentation statt Meinungsinflation, Transparenz, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit, Unbestechlichkeit … Allein: Die Kritik muss das nicht beeindrucken. Ihre Unbestechlichkeit sollte außer Frage stehen.

Der Verein TANZ.media: ist ein Bündnis von Tanzjournalist:innen, die dem Qualitätsjournalismus verpflichtet sind und nun feststellen müssen: Der wahre Skandal ist, dass es solche Skandale braucht, um der Öffentlichkeit begreifbar zu machen, wie prekär, auch ungeschützt die Position der unabhängigen Kunstbetrachtung inzwischen ist. Dass Journalist:innen nicht nur massiv beschimpft und bedroht, sondern auch körperlich angegriffen werden, ist traurige Realität in diesem Land.

Die „Causa Gustav“: sie zeigt zugleich die Macht der Kulturinstitutionen und ihre Mittel zur Disziplinierung nicht nur von Kunstschaffenden. Hausverbote gibt es längst – für die Kritik und für die Kunst, für journalistisch arbeitende Fotograf:innen, die man der Generalprobe verweist, und für Künstler:innen, die wegen „Fehlverhalten“ suspendiert werden. Es gibt Kulturinstitutionen, deren Marketing die freie Meinung über die Kunst ausschließlich selbst bestimmen wollen, inklusive Bashing oder Behinderung der Kritik, inklusive eines investigativen Journalismus, wenn er sich recherchierend in die „inneren Angelegenheiten“ der öffentlich geförderten Institutionen „einmischt“.

Die Kunst: und ihre Einschätzung durch Kenner:innen werden zunehmend reglementiert. Auch wenn Marco Goecke dies eher ahnt als weiß, so ist seine Reaktion gegen die Kritik dennoch auch eine Reaktion der Kulturinstitution selber. Kulturelle Institutionen mögen nicht die, die ihre freie Kritik kundtun. Marco Goecke handelte also nicht irrational, sondern trotz seiner Suspendierung im Geiste dessen, wie Institutionen anerkannt werden wollen: möglichst kritiklos.

Wir sprechen uns deutlich gegen eine „Cancel Culture“ aus. Es gibt keinen Grund, Goeckes Werke nun nicht mehr aufzuführen. Außer eine einladende Leitungsperson spricht ihnen plötzlich die künstlerische Qualität ab.

 

Der Anlass: Zur Ballettpremiere an der Staatsoper Hannover am 11. Februar 2023 griff der inzwischen suspendierte Ballettchef Marco Goecke im Pausenfoyer zu den in Papier verwahrten Exkrementen seines ihn begleitenden Dackels Gustav und verabreichte sie der Tanzkritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Wiebke Hüster. </p>
<p>Die Folge: Die Medien kritisieren sein Verhalten als tätlichen Angriff von wahrscheinlich sogar strafrechtlicher Relevanz.Die Kritik steht der Kollegin zur Seite und erinnert sich an die vielen körperlichen oder verbalen Attacken bei der Berufsausübung, die schon seit Jahren geschehen. Verunsichert fragt man nach Motiven und dem Gesundheitszustand des 50-jährigen Künstlers, der vorerst nichts bedauert, nur feststellt, das seine Tat „bestimmt nicht anerkannt oder respektiert“ sei.</p>
<p>Der buchstäbliche Shitstorm: bleibt jedoch aus. Denn Kritik ist die Zielscheibe der Kunst. Kritik sei niemals unparteiisch, heißt es schon bei Charles Baudelaire. Oscar Wilde fügte hinzu: „Die erste Voraussetzung für Kritik ist: Temperament“. Aber nur es war nur Goeckes Temperament, das vor Wut schäumte. Die Kritik ist es nur noch selten, denn sie soll – bei namentlicher Kennzeichnung ihrer Meinung – ihren Ethos mit dem Kulturjournalismus teilen. </p>
<p>Kriterien des kulturellen Qualitätsjournalismus sind: Wahrhaftigkeit, Sorgfalt bei Recherche und Dokumentation, Sachlichkeit bei der Berichterstattung, Unparteilichkeit im Konfliktfall, Argumentation statt Meinungsinflation, Transparenz, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit, Unbestechlichkeit ... Allein: Die Kritik muss das nicht beeindrucken. Ihre Unbestechlichkeit sollte außer Frage stehen.</p>
<p>Der Verein TANZ.media: ist ein Bündnis von Tanzjournalist:innen, die dem Qualitätsjournalismus verpflichtet sind und nun feststellen müssen: Der wahre Skandal ist, dass es solche Skandale braucht, um der Öffentlichkeit begreifbar zu machen, wie prekär, auch ungeschützt die Position der unabhängigen Kunstbetrachtung inzwischen ist. Dass Journalist:innen nicht nur massiv beschimpft und bedroht, sondern auch körperlich angegriffen werden, ist traurige Realität in diesem Land.</p>
<p>Die „Causa Gustav“: sie zeigt zugleich die Macht der Kulturinstitutionen und ihre Mittel zur Disziplinierung nicht nur von Kunstschaffenden. Hausverbote gibt es längst - für die Kritik und für die Kunst, für journalistisch arbeitende Fotograf:innen, die man der Generalprobe verweist, und für Künstler:innen, die wegen „Fehlverhalten“ suspendiert werden. Es gibt Kulturinstitutionen, deren Marketing die freie Meinung über die Kunst ausschließlich selbst bestimmen wollen, inklusive Bashing oder Behinderung der Kritik, inklusive eines investigativen Journalismus, wenn er sich recherchierend in die „inneren Angelegenheiten“ der öffentlich geförderten Institutionen „einmischt“.</p>
<p>Die Kunst: und ihre Einschätzung durch Kenner:innen werden zunehmend reglementiert. Auch wenn Marco Goecke dies eher ahnt als weiß, so ist seine Reaktion gegen die Kritik dennoch auch eine Reaktion der Kulturinstitution selber. Kulturelle Institutionen mögen nicht die, die ihre freie Kritik kundtun. Marco Goecke handelte also nicht irrational, sondern trotz seiner Suspendierung im Geiste dessen, wie Institutionen anerkannt werden wollen: möglichst kritiklos. </p>
<p>Der Anlass: Zur Ballettpremiere an der Staatsoper Hannover am 11. Februar 2023 griff der inzwischen suspendierte Ballettchef Marco Goecke im Pausenfoyer zu den in Papier verwahrten Exkrementen seines ihn begleitenden Dackels Gustav und verabreichte sie der Tanzkritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Wiebke Hüster. </p>
<p>Die Folge: Die Medien kritisieren sein Verhalten als tätlichen Angriff von wahrscheinlich sogar strafrechtlicher Relevanz.Die Kritik steht der Kollegin zur Seite und erinnert sich an die vielen körperlichen oder verbalen Attacken bei der Berufsausübung, die schon seit Jahren geschehen. Verunsichert fragt man nach Motiven und dem Gesundheitszustand des 50-jährigen Künstlers, der vorerst nichts bedauert, nur feststellt, das seine Tat „bestimmt nicht anerkannt oder respektiert“ sei.</p>
<p>Der buchstäbliche Shitstorm: bleibt jedoch aus. Denn Kritik ist die Zielscheibe der Kunst. Kritik sei niemals unparteiisch, heißt es schon bei Charles Baudelaire. Oscar Wilde fügte hinzu: „Die erste Voraussetzung für Kritik ist: Temperament“. Aber nur es war nur Goeckes Temperament, das vor Wut schäumte. Die Kritik ist es nur noch selten, denn sie soll – bei namentlicher Kennzeichnung ihrer Meinung – ihren Ethos mit dem Kulturjournalismus teilen. </p>
<p>Kriterien des kulturellen Qualitätsjournalismus sind: Wahrhaftigkeit, Sorgfalt bei Recherche und Dokumentation, Sachlichkeit bei der Berichterstattung, Unparteilichkeit im Konfliktfall, Argumentation statt Meinungsinflation, Transparenz, Ausgewogenheit, Unabhängigkeit, Unbestechlichkeit ... Allein: Die Kritik muss das nicht beeindrucken. Ihre Unbestechlichkeit sollte außer Frage stehen.</p>
<p>Der Verein TANZ.media: ist ein Bündnis von Tanzjournalist:innen, die dem Qualitätsjournalismus verpflichtet sind und nun feststellen müssen: Der wahre Skandal ist, dass es solche Skandale braucht, um der Öffentlichkeit begreifbar zu machen, wie prekär, auch ungeschützt die Position der unabhängigen Kunstbetrachtung inzwischen ist. Dass Journalist:innen nicht nur massiv beschimpft und bedroht, sondern auch körperlich angegriffen werden, ist traurige Realität in diesem Land.</p>
<p>Die „Causa Gustav“: sie zeigt zugleich die Macht der Kulturinstitutionen und ihre Mittel zur Disziplinierung nicht nur von Kunstschaffenden. Hausverbote gibt es längst - für die Kritik und für die Kunst, für journalistisch arbeitende Fotograf:innen, die man der Generalprobe verweist, und für Künstler:innen, die wegen „Fehlverhalten“ suspendiert werden. Es gibt Kulturinstitutionen, deren Marketing die freie Meinung über die Kunst ausschließlich selbst bestimmen wollen, inklusive Bashing oder Behinderung der Kritik, inklusive eines investigativen Journalismus, wenn er sich recherchierend in die „inneren Angelegenheiten“ der öffentlich geförderten Institutionen „einmischt“.</p>
<p>Gala-Deutscher-Tanzpreis©TANZweb.org_Klaus-Dilge</p>
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Gala-Deutscher-Tanzpreis©TANZweb.org_Klaus-Dilge